von Katja Herwig
Erinnert ihr euch noch an den Moment, als ihr euer Abitur oder eure Ausbildung bestanden hattet, dann die Wochen voller Party, Sommerstimmung und Vorfreude, auf das was kommt? Die einen wollten direkt zum Studium oder zum ersten Job und Großstadtluft in München, Berlin oder Hamburg schnuppern, die anderen wollten in die weite Welt und ein Jahr um den Globus reisen. Wiederum andere nahmen sich ein Jahr Auszeit, um im Elternhaus zu entscheiden, wohin ihr Weg führen könnte. In jedem Fall war es für jede:n von uns eine Zeit des Aufbruchs, des Wandels und vielleicht für manche auch der Unsicherheit, weil wir aus unserer Komfortzone in eine ungewisse Zukunft gehen mussten.
Diese Wochen waren eine Art Zwischenraum, ein Vakuum, denn das Alte war nicht mehr und doch hatte das Neue noch nicht begonnen. Es war eine Zeit, in der wir dachten, dass alles möglich sei. Gleichzeitig war da auch schon eine leise Vorahnung, dass der Weg beschwerlich werden könnte, weil wir uns plötzlich neu behaupten mussten. Genau das war die Magie dieser Zeit – wir konnten uns treiben lassen, wir probierten neue Dinge aus und wir durften noch Fehler machen.
In meiner Arbeit als Coach merke ich oft bei meinen Klient:innen, wie wichtig diese Zeit des Vakuums auch heute noch ist. Sie bietet Raum für ein Leben im Moment. Gleichzeitig eröffnet dieser Zustand Raum zum Spinnen, Träumen und anders sein. Hier kommen Fragen auf: Wie geht es mir? Bin ich glücklich? Was will ich noch erreichen? Allerdings erlauben wir uns dieses Vakuum, wie es viele von uns in dem Sommer nach dem Abitur erlebt haben, oft gar nicht mehr, weil wir in unserem Alltag gefangen sind und funktionieren müssen. Heutzutage haben wir Verantwortung, wollen Karriere machen oder haben schlichtweg keine Zeit zum Anhalten - zumindest denken wir das.
Und ausgerechnet dann, wenn wir in Eile sind und viele lange To Do-Listen auf uns warten, ist der perfekte Zeitpunkt gekommen, um anzuhalten und uns wieder einmal bewusst in diesen besonderen Zustand fallen zu lassen. Ein Zustand, in dem wir uns zu 100% auf uns konzentrieren, uns von den Erwartungen anderer befreien und loslassen können. Loslassen von einem Bild von uns selbst, welches wir einmal gezeichnet hatten, auf dem wir uns aber vielleicht gar nicht mehr erkennen. Genau an dieser Stelle tritt die Macht der Veränderung in Kraft, denn mit dem Loslassen entsteht Raum für neue Möglichkeiten.
Veränderung kann zwar schmerzhaft und anstrengend sein, aber sie ist immer auch eine Chance für etwas Neues und Besseres. Veränderung ist nicht immer nach außen sichtbar. Wir müssen uns nicht gleich von unserem Job oder unseren Partner:innen trennen. Veränderung kann auch in uns im Stillen passieren. Dann geht es um eine veränderte Haltung zu den Dingen, die für unsere Mitmenschen vielleicht gar nicht sichtbar ist, aber die uns neu ausrichtet und neue Perspektiven aufzeigt. Solche Veränderungen können unser Denken und Handeln maßgeblich beeinflussen und helfen dabei, ein Lebensbild zu zeichnen, mit dem wir uns identifizieren. In diesem Sinne ein Appel an uns alle: Lasst uns offen für Veränderung sein und in unserem Alltag immer mal wieder Zeit und Raum für ein kleines Vakuum schaffen.